Montag, 31. Januar 2011

Zwischenbericht

Hallo zusammen,
jetzt ist es schon Zeit für den Zwischenbericht. Ja, die Hälfte ist schon rum, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Voluntären verfalle ich nicht in gnadenloses Selbstmitleid und jammer den lieben langen Tag rum wie grausam es doch ist, dass die Hälfte schon vorbei ist. Wenn ich mir das Ende ständig herbeirede und mich jeden Tag damit beschäftigen würde, dann kommt es sicherlich noch schneller als einem lieb ist. Ich genieße einfach weiter die wunderschöne Zeit hier in La Paz und zerbreche mir nicht den Kopf über das Ende. Es wird kommen, ob man will oder nicht, da nutzt auch die Klagerei nichts, das nur einmal vorweg.

Die Arbeit im Casa Esperanza macht mir immer noch sehr viel Spaß. In den letzten Monaten waren die großen Ferien der Jungs, das heisst keine Hausaufgabenbetreuung und viele Ausflüge und man konnte noch mehr Zeit mit den Jungs verbringen. Der Höhepunkt der Ferien war sicherlich der gemeinsame Urlaub im tropischen Gebiet Chapare welches sich im Departamiento Cochabamba befindet.
Die Beneficiarios und auch das Personal haben die Zeit sichtlich genossen und es war meiner Ansicht nach auch extrem wichtig für die Jungs einmal ausserhalb des Projektes zu sein.
Es war einfach nur schön sie einmal in völlig anderer Umgebung wahrzunehmen und ihr verhalten wich deutlich von dem in La Paz ab. Es gab keinen Streit untereinander, aller waren richtig glücklich mal etwas völlig neues zu sehn, denn manche sind noch nie über die Grenzen des Departamientos La Paz hinausgekommen und waren noch nie im Regenwald. Ich habe mich teilweise wie ein großer Bruder gefühlt was auch eine Art Bestätigung meinerseits war. In unbekannter Umgebung war für die Jungs, wie auch für mich, alles Fremd und sie waren sichtlich verunsichert was sich auch deutlich gemacht hat in: Lukas kommst du mit mir da hin? Machst du mit mir das und das, etc... Sonst sind sie in La Paz immer die harten Jungs die vor nichts Angst haben und das typische Machobild abliefern. Aber bei eben völlig fremden Sachen die von den Gewohnten Dingen abweichen, wie zum Beispiel aus fünf Metern von einer Brücke einen Fluss zu springen. Die Meisten hatten Angst und wollten nur mit mir zusammen springen. Es war herrlich zu sehen wie die Jungs, die für sie teilweise neue Grenzerfahrungen gemacht haben. Man wurde gesucht und gefunden, es war ein unvergessliches Erlebniss im Urwald in Chapare was die Bindung und das Vertrauen zwischen den Kindern und mir noch weiter gefestigt und gestärkt hat. Außerdem hat sich das Verhältnis auch durch die weiteren drei Monate im Projekt deutlich verbessert. Vor vier Monaten war es noch nahezu unmöglich die Jungs dazu zu bewegen den Spieleraum zu säubern. Mittlerweile stellen solche Dinge überhaupt kein Problem mehr dar. Man wird noch mehr akzeptiert und respektiert. Was ich teilweise erstaunlich finde, dass einige sich schon mit meinem Abschied beschäftigen. Fragen wie wielange bleibst du noch oder kannst du nicht länger bleiben werden schon öfters gestellt. Man muss auch aufpassen auf welche Basis man sich mit den Jungs einlässt, man ist Voluntär, nicht mehr und nicht weniger. Kein Bruder oder Mutterersatz. Man kommt für ein Jahr und geht danach leider schon wieder. Als Fidel mir beispielsweise umarmend gesagt hat, dass er mich sehr vermissen wird wenn ich gehen werde habe ich mich auch gefragt, wie sehr darfst du eine Bindung mit ihnen aufbauen um keine all zu große Lücke bei ihnen zu hinterlassen wenn dann auch die Zeit der Rückkehr nach Deutschland kommt.
Was sehr interessant und zugleich amüsant war, war die Arbeitszeit von Max und Marius bei uns im Projekt Casa Esperanza. Da ihre Projekte über Weihnachten und Teile der Ferien geschlossen waren, haben sie innerhalb dieses Zeitraumes bei uns im Projekt ausgeholfen. Ihr Verhalten hat mich des öfteren zum schmunzeln und sogar lachen gebracht. Man hat sich einfach in ihrer Verhaltensweise wiedergefunden. Genau so wie sie in dieser "Anfangszeit", haben Tim und ich uns auch verhalten. Max und Marius haben sich über Dinge aufgeregt die Tim und ich einfach schon ignoriern, denn die große Kunst bei der Arbeit im Jungenheim ist jene, genau sich nicht so zu verhalten wie die Jungs es gerne hätten. Tritt dir jemand vors Schienenbein will er Aufmerksamkeit, dass du dich aufregst, ihn verfolgst und anmeckerst. Aber genau das darf man eben nicht machen. Ich hab nach einer Zeit garnicht darauf reagiert und voilá man wird auch nicht mehr gepiesackt. Doch diesen "Trick" zu beherrschen erfordert krasse Disziplin und ist nicht immer einfach. Max und Marius haben es in dieser Zeit nicht so gut hinbekommen, aber das wäre mit der Zeit sicherlich auf gekommen. So war es auch schön zu sehen, wie sehr die Jungs schon auf einen hören und einen respektieren und akzeptieren
Das Arbeitsklima war in den letzten drei Monaten ziemlich zerfahren, da es viele Personalwechsel gab, aus für mich zum Teil skurrilen und nicht nachvollziehbaren Gründen.
Es gibt neue Educadoren, Professoren und eine neue Psychologin, da kann man sich vorstellen das man sich wiedereinmal erst kennenlernen muss um gut miteinander arbeiten zu können.

Außerdem stand nach dem Projekturlaub anschließend das Zwischenseminar in Santa Cruz an. Dort ist mir vor allem durch die Relation zu anderen Freiwilligen aus anderen Organisationen deutlich geworden, wie gut die Fundación Arco Iris aufgebaut ist und welch ein Glück ich habe so zufrieden mit meinem Projekt und meiner Arbeit die ich dort verrichte zu sein. Einige Voluntäre hatten wirklich deutliche Probleme im Projekt die so einfach nicht belassen werden sollten. Besonders denjenigen die dies betrifft hat das Seminar sehr geholfen.
Zudem tat es richtig gut andere nette Voluntäre kennen zu lernen, Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen auszutauschen und einfach nur über alle Möglichen Dinge zu reden. Die vergangene Zeit zu reflektieren und auf die kommende vorauszuschaun hat nochmal deutlich gemacht, wie schön die letzten Monate doch waren und wie schön auch noch die kommenden Monate hoffentlich werden!
Was das WG-Leben anbelangt ist es nicht gerade einfach. Unser Haus in Alto Obrajes wird immer noch renoviert und ist bald wieder einzugsbereit. Da alle acht Voluntäre aus dem Haus mussten und wir nicht alle zusammen umgesiedelt werden konnten haben Max und Ich uns netterweise dazu bereitgestellt zu zweit nach Obrajes in die andere Voluntärswg zu ziehen. Ich habe jedoch noch gemischte Gefühle. Einerseits bin ich froh wieder in unser Haus zu können, andererseits ist mir auch während des Seminars klar geworden, wie wichtig mir mein bester Freund Tim ist.
So einen besten Freund findet man so schnell nicht wieder und ich will einfach das nächste halbe Jahr zusammen mit ihm im selben Haus verbringen. Die Zeit die man hier erlebt kommt nie mehr wieder und man wird einfach nach dem Jahr nicht mehr so den Kontakt zueinander haben wie es hier derzeit in der Wohnung ist. Die Lösung aller Probleme wäre einfach, dass Tim zu mir ins Haus ziehen darf, doch dieser Wunsch bleibt uns leider durch meiner Meinung nach absurde Gründe verwehrt. Ich werde mich auf jedenfall noch mal mit den anderen Freiwilligen des Hauses zusammensetzten um hoffentlich eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Ám Freitag steht auch schon der Besuch meiner Eltern an worauf ich mich schon sehr freue. Ich bin einfach gespannt wie sie meine neue Heimat sehen, wie auf sie Land und Leute wirkt und ich möchte ihnen einfach zeigen wie ich hier lebe und was ich hier mache.
Ansonsten bin ich guter Dinge und freue mich auf das zweite Halbjahr meines anderen Dienstes im Ausland!
liebe Grüße aus La Paz,
euer Lukas

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